DER AUTOR-ÜBERSETZER

Sondierungen in vielschichtigem Terrain. Von Ilma Rakusa. Erschienen in der Neuen Zürcher Zeitung, 31.Mai/1.Juni 2003, Nr.124

Wer übersetzt und gleichzeitig literarisch schreibt, wird das eine vom anderen trennen wollen. Ganz und gar wird dies nicht gelingen. Was also geschieht bei der Arbeit am fremden Text mit dem eigenen Ton - und wie untermalt dieser die Übersetzung?

Eine regelmässige Publikumsfrage lautet: Fühlen Sie sich mehr als Schriftstellerin oder als Übersetzerin? Und kommen sich diese Tätigkeiten nicht in die Quere? Meine Antwortet lautet: Ich bin beides, auch wenn mir das Schreiben mehr auf den Nägeln brennt. Und was die Konkurrenz betrifft: Sie ist in erster Linie eine zeitliche. Während ich übersetze, liegt das Schreiben brach, während ich schreibe, pausiert das Übersetzen. Beide Tätigkeiten erfordern volle Aufmerksamkeit: Empathie, Konzentration, Know-how, gebündelt. Und je länger und komplexer ein Projekt, desto grösser die Ausschliesslichkeit. Solche - routinierte - Antwort ist nicht falsch, greift aber etwas zu kurz. Sie versucht zu separieren, was de facto vielfältig verbunden ist. Denn bemerkenswert ist schon die Tatsache, dass ein Schriftsteller übersetzt. Hat er nicht genug zu tun? Was drängt ihn, andere literarische Universen zu erkunden und nachzuschaffen, d. h. seine sprachkünstlerische Begabung in fremde Dienste zu stellen? In Ost(mittel)europa gehörte es seit dem 19. Jahrhundert zur festen Tradition, dass Schriftsteller auch Übersetzer waren. Ihnen vertraute man es an, Werke der Weltliteratur kongenial nachzudichten und damit nicht nur Brücken zu bauen, sondern die eigene Sprache (Kultur) zu bereichern. Wenn nötig, wurde mit Interlinearübersetzungen gearbeitet; Hauptsache, die definitive Sprachgestalt lag in Dichters Hand. Keine Frage, solche Praxis verrät ein grosses Verantwor- tungsgefühl gegenüber dem literarischen Wort und verleiht dem Übersetzen das Signum der Kunst.

AFFINITÄT ALS HERAUSFORDERUNG

Vielleicht ist es also müssig, zwischen eigener Autorschaft und dem anspruchsvollen Metier des Übersetzens partout unterscheiden zu wollen. Der Kunstanspruch besteht hier wie dort. Jedenfalls in meinem Verständnis, das sich gerne an der ost(mittel)europäischen Tradition orientiert, zu der auch Paul Celan zu zählen wäre. Celan hat Gedichte von Mandelstam, Jessenin, Ungaretti, von Shakespeare, Emily Dickinson, René Char und vielen andern unnachahmlich übersetzt, indem er sich die fremde Stimme zu eigen machte. Diese Aneignung im Transformationstiegel des künstlerischen Prozesses, nennen wir sie Celanisierung, tut dem Originaltext nicht nur kein Unrecht, sie verhilft ihm zu neu-originärem Glanz. Genauigkeitsexperten mögen da gewisse Einwände haben. Unbestritten aber handelt es sich um Nachdichtungen auf Augenhöhe.

Ob Celan aus Pflicht oder aus Neigung übersetzte, bleibe dahingestellt. Möglicherweise folgte er einfach dem Ruf der Sprache, die ihn bei «seinen» Autoren besonders affizierte. Da wird die Affinität zur Herausforderung, die sich mit Verantwortung paart. Im Bewusstsein, dass das Handwerk des Schreibens von dem des Übersetzens sich nur wenig unterscheidet: «Handwerk - das ist Sache der Hände. Und diese Hände wiederum gehören nur einem Menschen, d. h. einem einmaligen und sterblichen Seelenwesen, das mit seiner Stimme und seiner Stummheit einen Weg sucht.»

Meine Entscheidung zu übersetzen fiel bei der Lektüre autobiographischer Erinnerungstexte von Marina Zwetajewa. Die Gedichte der Russin erschienen mir zu schwierig, ihre poetische Prosa aber reizte mich. Es reizten mich die Bilder und Wortspiele, die Vergleiche und Rhythmen, kurz: die Intensität des Sprachgebarens. Hier war Nachdichtung gefragt. Ich wagte den Versuch. - Auf jenen ersten, vor dreissig Jahren, folgten viele weitere: Prosa, Essays, Briefe, das Versdrama «Phoenix». Die Schwierigkeiten wurden nicht kleiner, aber mittlerweile kannte ich den Code, bewegte ich mich in Zwetajewas Denk- und Sprachraum, als wär's mein eigener. Die Vertrautheit führte zu manchen Idiosynkrasien, aber ich wusste, was ich tat, was ich tun musste.

Noch heute fällt es mir unschwer, diese Wahl zu begründen - und zu rechtfertigen. Immerhin habe ich zehn Jahre meines Übersetzerlebens mit Zwetajewa zugebracht. Ihre radikalen Sprachgesten faszinieren mich nach wie vor, während ich in ihren Capricen und Manierismen trotzige Selbstverliebtheit zu erkennen glaube. Als Person ist sie mir längst zur Schwester geworden. Doch gab es Zeiten, da ich fürchtete, zu ihrem Double zu werden.

Was mit Anziehung beginnt, kann leicht zur Überidentifikation führen und sich schliesslich ins Gegenteil verkehren. Der Vorgang des Übersetzens kennt alle Stadien zwischen Nähe und Distanz, zwischen Empathie und kritischer Kontrolle. Als Nachdichter bin ich Medium und Handwerker - ohne mein Selbst verleugnen zu können. Je enger die Beziehung zwischen dem eigenen Personalstil und dem des zu übersetzenden Werkes, desto müheloser das Gelingen. Obwohl in allzu grosser Ähnlichkeit auch Gefahren lauern können.

Affinität ist ein möglicher, aber kein zwingender Anreiz, das Schreiben gegen das Übersetzen einzutauschen. Es gibt auch die Lust an der Maskierung, an der Verwandlung, am Eintauchen in fremde Welten. Herausforderung und Risiko sind hier beträchtlich, beträchtlich aber auch der Lerngewinn und die Befriedigung, wenn der Versuch gelingt. Als ich mich vor Jahren entschloss, Danilo Kið' Roman «Ein Grabmal für Boris Dawidowitsch» zu übersetzen, galt die Wahl dem Fremden, Anderen. Nicht nur hätte ich mich selber nie an das Thema «Die russische Revolution frisst ihre eigenen Kinder» gewagt, auch der komprimierte, schneidend scharfe Stil dieser fiktionalisierten Dokumentarprosa war mir gänzlich unvertraut. Es begann damit, dass ich den (historischen) Stoff studierte und mir, Satz für Satz, eine neue Sprache zulegte. Wie sich später zeigte, mit Erfolg. Es war ein hartes Exerzitium, das zu grosser Disziplin zwang. Während ich gewohnt war, mit dem Ohr zu arbeiten, verlangte Kið' gemeisselter Stil nach äusserster Präzision.

Meine Erfindungsgabe bemühte sich um Lösungen der Kürze, um die Poesie der Prägnanz. Und machte so viele Entdeckungen, dass ich, einmal eingeübt in das ästhetische Alphabet des Danilo Kið, diese Welt nicht so schnell wieder verlassen mochte. In der Folge übersetzte ich weitere Bücher des serbisch-ungarisch-jüdischen Autors, darunter sein wohl schwierigstes, den Roman «Sanduhr». Es wurde, trotz den mich familiär anmutenden mitteleuropäisch-pannonischen Schauplätzen, zur Geduldsprobe. Das Material erwies sich als widerständig, fordernd, tückisch. Der komplizierte Aufbau, die Montagetechnik, die minuziösen Beschreibungen und Verweise liessen kaum Spielraum für eigene Inventionen. Ich folgte gehorsam einer strengen Regie. Was schliesslich herauskam, war ein gestaltetes Gegenüber. Heute zählt diese Übersetzung zu meinen liebsten. Ich habe sie mir wörtlich abgerungen, ich fühle mich verantwortlich für sie. Nicht zuletzt, weil der Leser ihr auf ergreifend-unsentimentale Art entnehmen kann, wie das mitteleuropäische Judentum zum Verschwinden gebracht wurde.

ARBEIT AN KLANG UND RHYTHMUS

Mit Marguerite Duras war es ein vergleichsweise leichtes Spiel. Auf dem Ladentisch einer südfranzösischen Kleinstadt entdeckte ich die schmale Sommerchronik «L'Eté 80». Kaufte sie, las und wusste, dass ich sie übersetzen wollte. Was mich auf Anhieb verführte und bestach, war die Sprache: ihr Sound, ihr Rhythmus, ihr weiter Atem. Sie erzählte von den Aufständen in Danzig und vom Strandleben in Trouville, vom Regen, von Kindermärchen und von der Liebe, in lockerer Abfolge. Dieses Sprechen schien von keiner Anstrengung diktiert. Ich übernahm es fliessend. Ein Jahr nach der ersten Lektüre lag das orangefarbene Bändchen der Edition Suhrkamp auf meinem Tisch. Es war ein glücklicher Anfang. - Die Übersetzung des unerwartet zum Bestseller avancierten Romans «L'Amant» stand unter Termin- und Erfolgsdruck. Vorbei der Sommerflirt, bis tief in den Winter hinein schwitzte ich im tropischen Indochina.

Die beabsichtigten Uneindeutigkeiten des Originals kumulierten sich zu einer Fragenliste, die die Autorin nicht beantworten mochte. Umso mehr beherzigte ich ihr ketzerisches Diktum, wonach die musikalischen Fehler die schlimmsten seien. Um Musik ging es in jedem Satz, da konnte ich mich auf mein Ohr verlassen. Um den betörenden Sound einer «Lauterotik»: «Hél?ne Lagonelle. Elle est beaucoup plus belle que moi, que celle-ci au chapeau de clown . . .» So galt die Detailarbeit dem Klang und dem Rhythmus, die mich auch im eigenen Schreiben beschäftigen. Ich kaue die Sätze, ich sage sie halblaut vor mich hin. Ihre Perioden und Schlüsse müssen stimmen, bis auf die Silbe genau. Kein «Cave musicam!» kann mich von solcher Arithmetik abbringen.

Trotz grossem Zeitdruck unterbrach ich die Übersetzung des «Liebhabers», um eine eigene Erzählung zu schreiben, um zum Originalton zurückzufinden. Es gibt die Angst, «to get lost in translation» (wie ein Buchtitel von Eva Hoffman heisst), und es gibt - gerade bei Autoren, zu denen man eine Affinität verspürt - jähe Idiosynkrasien. Nachdem der Text geschrieben war, hatte sich der innere Aufruhr wieder gelegt, die Antennen standen alle auf Duras-Empfang.

Wie funktioniert die Osmose zwischen Autor und Übersetzer? Inwieweit färbt der Personalstil des Schriftsteller-Übersetzers auf seine Übertragungen ab, und inwiefern beeinflussen die Werke, die er übersetzt, sein eigenes Schreiben? Die Antwort fällt nicht leicht, weil diese Prozesse meist unbewusst ablaufen. Selbst die Wahl eines zu übersetzenden Werkes ist komplex und lässt keine eindeutigen Schlüsse zu. Da übersetze ich Duras und gleichzeitig das Duras'sche Gegenprogramm: Danilo Kið. Was gibt, vom Postulat künstlerischer Qualität einmal abgesehen, den Ausschlag: Nähe oder Ferne, Affinität oder Fremdheit? Mal das eine, mal das andere, gelegentlich auch beides. Nur darf die Wahl meine translatorischen Fähigkeiten nicht überfordern, denn ich möchte ein Äquivalent schaffen, um jeden Preis.

Der Kunstanspruch ist eine hohe Latte. Diesem Anspruch zuliebe ist man sogar bereit, da und dort Verrat zu üben (traduttore - traditore). Poetische Lizenzen sind erlaubt, wo der Text sie erfordert. Oder darüber hinaus? Mein persönliches Übersetzerethos basiert auf grösstmöglichem Respekt vor dem Originaltext, ich sehe meine diskrete Aufgabe darin, ihn optimal wiederzugeben. Vor allem darf ich seinen Ton nicht verfehlen: C'est le ton qui fait la musique. Was hat da mein eigener Personalstil zu suchen? Trifft er sich mit dem Stil des Werks, umso besser. Wenn nicht, muss ich mich zurücknehmen zugunsten des anderen. So weit das Prinzip. In praxi sucht sich die Kreativität viele Wege und Ventile, um ihre Vorlieben, ihre Stärken auszuleben. Mein genuines Interesse für sprachintensive Texte leitet mich auch beim Übersetzen. Je mehr mir die Sprache zumutet, desto erfinderischer kann ich mich gebärden. Herausforderung stimuliert, birgt vielfältige Entfaltungsmöglichkeiten.

WIEDERDICHTEN

Trotzdem: Nachschaffen ist nicht Schaffen, mein Part ein sekundärer, die Freiheit begrenzt. Will ich die ganze, mache ich mich an den eigenen Text. Oder klingt das zu kategorisch? Ist Übertragung nicht per se «eine Mischung aus Selbstaufgabe und Selbstbehauptung» (Bernhard Böschenstein)? Und wäre es nicht naheliegend, dass meine Übersetzungen eine unverkennbare Handschrift tragen, dass die «Opusphantasie» (Peter von Matt) auch in ihnen am Werk ist? Das mögen Drittpersonen beurteilen, der Blick von aussen sieht mehr. Auf Selbstauskünfte ist bekanntlich nicht immer Verlass. Von Peter Handke, der für sich das Wort «Wiederdichten» (statt Nachdichten) reklamiert, stammt der Satz: «Möglichkeit und Paradox des Übersetzenden: Mitspielend, lässt er sich aus dem Spiel; er wird sein Selbstspiel los, indem er mitspielt.» Doch zeigt sich gerade bei Autoren-Übersetzern wie Peter Handke, Ernst Jandl oder Jürg Laederach, um nur diese drei zu nennen, dass sie sich selber mit übersetzen - wie Maler, die ihre eigene Physiognomie in fremde Gesichter einschreiben. So entstehen charaktervolle Übertragungen (mit partiellen blinden Flecken). Im Extremfall sagen sie mehr über den Übersetzer als über den Übersetzten aus.

Wie aber verhält es sich, umgekehrt, wenn das eigene Schreiben unter den Einfluss des Werks gerät, das man überträgt? Beim Übersetzungsvorgang findet ja ein Austausch von seltener Intensität statt. Man ist nicht nur Leser und Interpret, sondern Anverwandler und Nachschöpfer. Der fremde Tonfall setzt sich im Ohr fest, arbeitet weiter.

Wenn ich denn von einem übersetzten Text angesteckt wurde, so von seiner Melodie, seinem Sound-Pattern, nicht von Inhalt und Sujet. Wobei das unbewusst ablief, wie das Horchen auf ein inneres Gemurmel. Ein Beispiel habe ich zur Hand. Gegen Ende von Marguerite Duras' Roman «Der Liebhaber» kommt es zu jener anrührenden Abschiedsszene, wo die junge Frau den Ozeandampfer besteigt und sich von ihrer Saigoner Jugend und dem chinesischen Lover entfernt. Es ist eine der stärksten Stellen des Buches. In meiner Übertragung, die dem Rhythmus des Originals weitgehend folgt, endet sie so: «Und dann, zuletzt, nahm die Erde die Gestalt des Schiffs in ihre Krümmung. Bei klarem Wetter konnte man es langsam sinken sehen.» Kurz nach Abschluss der Übersetzung schrieb ich eine Erzählung, die in meiner Kindheitsstadt Triest spielt (»Arsenal»). Ihr letzter Abschnitt lautet so: «Kein Wort. Sie duschten. Sie assen. Und dann, um sich ihrer Niederlage zu vergewissern, überliess die Frau das Kind dem toten Körper der Nacht.» Nicht das Meer, nicht die Schiffe bilden das Verbindungsglied zu Duras, sondern der Satzrhythmus, genauer jenes «und dann», das Stossseufzer und letztes Atemholen zugleich ist.

Die luftige Leichtigkeit von Duras' Sätzen entspricht wesentlich meinem eigenen Ideal von syntaktischer Kürze und Prägnanz. Parataxe statt Hypotaxe, Tendenz zur Elliptik, kombiniert mit melodischer Rhythmizität. Duras mag es weicher, ich härter, und die Sprachen selbst tun das ihre. Aber am Schwebenden führt kein Weg vorbei.

In meiner Lyrik, vor allem im letzten Gedichtband, «Love after love. Acht Abgesänge», gibt es gekappte Sätze und einen expressiven Staccato- Rhythmus, der einige meiner Leser an den Versstil Marina Zwetajewas erinnerte. Beim Schreiben hatte ich - bis auf ein Zitat («das Brot tut weh») - nicht an Zwetajewa gedacht, von der ich hauptsächlich Prosa übersetzt habe. Fragt sich also, ob die (vermeintliche) Ähnlichkeit auf einer «typologischen Verwandtschaft» beruht oder ob in meinem Gedächtnisraum Zwetajewa-Klänge nachhallen. Letzteres ist nicht auszuschliessen. Das innere Gemurmel ist vielstimmig.

PARALLELEN

Ich suche nun, post festum und gewollt, nach einer möglichen Parallele. Greife zu Zwetajewas «Poem vom Ende» (1924), das sprachradikal und gnadenlos Abschied von einer Liebe nimmt. «Zusammengezuckt - die Qual / Total: Unsre Bar! Der Saal, // Die Insel - der Ort, / Hort, wo wir immerfort // Uns trafen - ein loses Paar! / Die Bar - unser Tempel war's!» In einem meiner «Abgesänge» heisst es: «. . . im Himmel / in den Flugzeugtieren / da ist dein Ort / von hier nach dort / fort / und so niemals retour / im Nowhere-Land . . .» Zwetajewa ist strenger: Sie folgt einem Metrum, reimt (fast durchgehend männlich), während mein Staccato aus kurzen Versen und einsilbigen Wörtern, die sich mitunter reimen, resultiert. Zwetajewa (in der Übersetzung von Felix Philipp Ingold): «Wir haben ausgespielt, / Damen, Herren - Schluss! / Vorstadt? Ist kein Ziel! / Grossstadt? Mein Genuss! // Regen peitscht. Und schwemmt. / Aufrecht - wir - verkeilt. / Monate getrennt. / Erstmals - jetzt - zu zweit.» Hart ist auch mein Rhythmus: «. . . zwischen Verrat / und dem was Draht heisst / unisone Saite / besteht nur ein haarfeiner / Unterschied / Schritt Fehltritt / Dynamit - / und Schnitt / und Ritt ins Out / o traute Szenerie / und der Drang zurück / ins Glück des Zwangs . . .» Natürlich wäre auch vom Hang zum Paradox und zur Ellipse zu reden sowie von anderem, was mich mit Zwetajewa verbindet. Doch ist sie nur eine von vielen Stimmen in meinem Kopforchester.

Damit komme ich zur letzten Frage: Wie geht der Autor-Übersetzer mit dem inneren Stimmengewirr um, mit den möglichen Interferenzen? Als Übersetzer ist er angehalten, Hallraum zu sein, als Autor drängt es ihn, die eigene Stimme zu erheben. Als Autor und Übersetzer in Personalunion muss er die diversen Stimmen sortieren - die einen dämpfen, die anderen verstärken. Ein zutiefst individueller Vorgang, der zu entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen führt. Es steht also nicht Inkompatibilität zur Debatte, sondern Stimmenmanagement. Im Wissen, dass letztlich nur der Kunstanspruch zählt. «Übersetzen ist so gut dichten», schrieb Novalis an August Wilhelm Schlegel, «als eigene Werke zustande bringen - und schwerer, seltener. Am Ende ist alle Poesie Übersetzung.»

 

 

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ILMA RAKUSA